Samstag, 13. Juli 2019
Die Insel im Klaren








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Die heftige Art zu reisen
Einmal vorsichtig nachgefragt am Flughafen, ob übermorgen noch ein Platz frei ist im Flug nach Solovetzki-Insel. Aber es gibt gar keinen Flug. Die Piste wird umgebaut. Hubschrauber? Schon voll. Also dann Bahn und Schiff. Aber das geht über Nacht. Ich bekomme den weiten Weg auf der Karte gezeigt. Das Schiff fährt nicht täglich. Heute geht ein Zug. Am Nachmittag. - So waren es also nur eineinhalb Tage in dieser Stadt.
Archangelsk, die Stadt des Erzengels.
Die Stadt der geraden Straßen.
Der Ordnung.
Wo keiner bei Rot geht.
Wo am Schutzweg angehalten wird.
Wo die Erzengelkirche wegen Renovierung geschlossen ist.
Das, was ich zuerst von dieser Stadt gesehen habe.
Am ersten Tag, gleich nach der Ankunft.
Am Weg, um noch ein Lokal zu finden, das offen hat, fast um Mitternacht.
Das Bierlokal war offen, die Kirche zu.

Ich teile das Abteil mit zwei Männern.
Ich habe das obere Bett.
Freundlicher Kontakt ohne Worte.
In der Nacht steigen sie aus, ein anderer kommt.
Pensionierter Tölpel.
Tratscht mit dem Tölpel vom Nebenabteil, als wären sie im Beisl.
Tiefe rauchige Stimme, ein wenig unterdrückt.
Um zwei werf ich sie hinaus, hier Schlafwagen, aha, Schlafwagen?
Sie gehen rauchen und kommen stinkend wieder.
Eine Rumflasche.
Kichern.
Ich habe doch geschlafen.
Tief nicht, denn ich muss ja in der Früh raus.
Die Schaffnerin kommt artig schon um 5 und bringt mir das Wechselgeld von gestern.
Als die Tür aufgeht, bin ich der erste, der über den Bahnsteig steigt, und bekomme das erste Taxi in Kem.
Strömender Regen.
Um Riesenpfützen herum mit 50 etwa eine Stunde.
Dann Warteschlange vor der Bootskasse eine halbe Stunde.
(Heißer Raum)
Das Pärchen getroffen vom Museum in Archangelsk.
Den älteren Herrn getroffen mit dem Riesenkoffer im Zug.
Das Pärchen aus Samara, wo ich vor fünf Jahren war.
Der Mann aus Longyearbyn, wir gehen Frühstücken.
Das Pärchen macht mich aufmerksam auf die Holzkirche aus Ostrov, die wir aus dem Fenster sehen. Als es kurz zu regnen aufhört, will ich hin. Sie gehen mit.



Die Holzkirche war gar keine Kirche, nur für den Film.
Sie ist am anderen Ende der Bucht.
Hohes nasses Gras, rutschige Granitfelsen.
Unzählige Holzhäuser.



Pawel Lungin hat den Ganzen Film über die Insel hier an der Küste gedreht.
Hier hat er gewohnt.
Hier die Mannschaft.







Mit gehobenem Gefühl kommen wir zurück.
Nassen Hosen, nassen Schuhen.
Böiger Wind, Regengüsse.
Die nassen Schuhe in den Heizraum, die trockenen an die Füße.
Der Philosophenkollege mit dem schweigsamen Sohn.
Russische Philosophie, katholische, protestantische.
Darüber ging der Vormittag hin, bis das Schiff da war.
Die Kapitänin hält eine ausgiebige russische Rede, während wir im Regen lauschen.
Dann werden wir an Deck gelassen und verschwinden im niederen Schiffbauch.
Für jeden ein Plätzchen.

Am Ende der ersten Stunde gab es einige überraschende Heber.
Manche sahen sich an und schluckten hinunter.
Es wurden mehr.



Einige gingen an Deck.
Einige zogen die Mütze in die Stirn und schliefen.
Der Pope legte sich über drei Sitze auf den Rücken.
Wahrscheinlich hat er sich auf den Atem konzentriert.
Ich konzentriere mich auf den heiligen Nikolaus, dessen Bild in der Mitte von der Decke hängt.
Von Entspannung keine Rede.
Höchste Konzentration und Anspannung.
Mein Blick fest und gerade.
Gerade bei den unerwarteten Hebungen.
Schließlich gehe auch ich nach hinten.
Im Stehen lässt sich das Schlingern besser abfangen und verstehen.
Es werden schließlich zwei Stunden, bis wir in die Bucht von Solovski einfahren.









Dann ein langer weicher Weg ins Dorf hinauf.
Nichts angeschrieben, das Touristbüro war dort, wo ich zuerst gefragt habe.
Dann gab es noch einige Kilometer, Missverständnisse, ein Mittagessen um drei, und schließlich ein Zimmer in einem Blockhaus.
Die anderen Bekannten habe ich alle wieder getroffen.
Am Abend ist es ganz klar geworden.
So plastisch und farbig und überwirklich.
Eine vom Schmutz gereinigte Welt.
Und bald ist wieder Mitternacht, und immer noch ist hell.

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